Das Oberlandesgericht Celle hatte in einer Beschwerdeentscheidung mit Beschluss vom 09.01.2024 – 6 W 175/23 - die folgende Fallgestaltung zu entscheiden:
Die einzige Tochter der verwitweten Erblasserin, die geschieden und kinderlos war, verstarb noch vor der Erblasserin.
Im Oktober 2022 wurde eine Betreuung für die Erblasserin installiert. Vom 03.10.2022 -18.10.2022 befand sich die Erblasserin im Krankenhaus, in welchem dann ein Notar ein notarielles Testament mit der Erblasserin zusammen erstellte. Dabei wurde die vor Kurzem ernannte Betreuerin zur Alleinerbin eingesetzt. Eine Kirchengemeinde bekam ein Geldvermächtnis i. H. v. 10.000,00 € bei einem Reinvermögen von 350.000,00 €.
Nachdem die Erblasserin am 18.10.2022 aus dem Krankenhaus entlassen wurde, nahm sie die Betreuerin bei sich zu Hause auf. Vier Tage später verstarb die Erblasserin im Haus der Betreuerin.
Da die Erblasserin im September 2022 bei ihrer Anhörung vor dem Betreuungsgericht äußerte, dass die Kirche ihr Geld erhalten sollte, ordnete das zuständige Nachlassgericht die sog. Nachlasspflegschaft an und ein Nachlasspfleger wurde ernannt. Den Erbscheinsantrag im Erbscheinsverfahren der ehemaligen Betreuerin auf Alleinerbin wies das zuständige Amtsgericht zurück. Gegen diesen Beschluss legte die Betreuerin Beschwerde ein.
Auch das Oberlandesgericht Celle wies die Beschwerde zurück. Dies wurde damit begründet, dass zwar nicht eine eventuell vorliegende Testierunfähigkeit zu prüfen sei, dass jedoch das vorliegende Testament aufgrund Sittenwidrigkeit nichtig ist.
Dabei müssen alle konkreten Umstände des Falles gewürdigt werden, demnach Inhalt, Beweggrund und Zweck des Rechtsgeschäfts sowie auch die Umstände, die zur Vornahme des Rechtsgeschäfts geführt haben.
Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen kam der Senat im vorliegen Fall zu einer Sittenwidrigkeit des notariellen Testaments vom 11. Oktober 2022.
Die Erblasserin war bei Beurkundung des notariellen Testaments 92 Jahre alt. Angehörige hatte sie, nachdem ihre Tochter als einzige Angehörige wenige Wochen zuvor verstorben war, nicht mehr. Die Tochter kümmerte sich zu deren Lebzeiten um die finanziellen Belange und die Verwaltung des Eigentums. Die Erblasserin hatte keinen Lebenswillen mehr. Ihr Gesundheitszustand war schlecht. Neben einer Herzinsuffizienz, Aorteninsuffizienz und Hypertonie sowie Vorhofflimmern lag eine chronisch-depressive Erkrankung vor und eine schwere Episode in Kombination mit Trauerreaktion. Die Erblasserin erhielt deshalb ein Antidepressivum.
Es wurde weiter der Notar nicht durch die Erblasserin beauftragt, obwohl diese dazu in der Lage gewesen wäre, sondern durch die ehemalige Betreuerin. Diese hat auch dem Notar den Wunsch der Erblasserin mitgeteilt, bereits bei der Vorbesprechung des Termins. Bei der Beurkundung war die ehemalige Betreuerin jedoch nicht im Zimmer anwesend.
Weiter wertet das Oberlandesgericht Celle die Aufnahme der Erblasserin bei der ehemaligen Betreuerin nach der Entlassung aus dem Krankenhaus für die letzten verbleibenden Tage als zumindest unprofessionelles Verhalten der Berufsbetreuerin. Sie war damals nur rechtliche Betreuerin und nicht Pflegeperson der Erblasserin. Die ehemalige Betreuerin war auch nicht unerfahren, da sie zum damaligen Zeitpunkt bereits 13 Betreuungen geführt hatte.
Es kommt hinzu, dass zwischen der Bestellung der ehemaligen Betreuerin als Betreuerin der Erblasserin und der Beurkundung des Testaments beim zweiten Besuch des Notars nur 2 Wochen lagen. Die Erblasserin war zu dieser Zeit überwiegend im Krankenhaus, sodass es besonders unverständlich erscheinen muss, dass es im Testament heißt, die Erbeinsetzung der ehemaligen Betreuerin erfolge aus Dankbarkeit für die Pflege, welche die ehemalige Betreuerin der Erblasserin seit Bestellung als Betreuerin habe zukommen lassen. Auch konnte kein sehr inniges und herzliches Verhältnis zwischen den beiden Personen vorliegen.
Die genannten Umstände reichen im Rahmen einer Gesamtwürdigung dem OLG-Senat aus, um auch für den vorliegenden Sachverhalt zur Annahme der Sittenwidrigkeit und damit der Nichtigkeit des notariellen Testaments zu Gunsten der ehemaligen Betreuerin zu gelangen. Eine Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 70 II 1 FamFG nicht vorliegen. Die Entscheidung des Senats weicht auch nicht von den Entscheidungen anderer Gerichte zu vergleichbaren Sachverhalten ab.
Es wird zum Schluss noch der ehemaligen Betreuerin der Hinweis gegeben, dass sie eine Erbenfeststellungsklage erheben könne. Diese wird dann rechtskräftig entschieden und ist dann für alle Beteiligten im Erbfall bindend.
Das OLG Celle bestätigt seine bisherige Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Testamenten, in welchen Berufsbetreuer zu Alleinerben eingesetzt worden sind. Es muss insbesondere immer darauf geachtet werden, dass die Umstände des Einzelfalles gewürdigt werden.
Es darf dabei nicht unbeachtet bleiben, dass bei einem anderen zeitlichen Verlauf und Krankheitsbild der Erblasserin die Sittenwidrigkeit eventuell verneint worden wäre. Es ist demnach immer bei einem Testament mit einer Erbeinsetzung eines Betreuers oder eines Mitarbeiters eines Pflegeheims oder einer ähnlichen Einrichtung zu prüfen, ob das Testament überhaupt wirksam ist.
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass per Internet / Formular keinerlei Rechtsberatung stattfinden kann.
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